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Stadtchronik

Region MS Zeulenroda Brückeneinsturz

 

Wer heute von der A9 kommend über Auma° nach Zeulenroda-Triebes° fährt, wird beim Überfahren der 365 Meter langen Talsperrenbrücke am Ortseingang der Stadt sicherlich nicht auf den Gedanken kommen, dass diese Brücke während der Bauphase einstürzte. Es sei denn, er bemerkt den 1994 am Straßenrand aufgestellten Gedenkstein, der an die Opfer des Brückeneinsturzes von 1973 erinnern soll.

Gedenkstein an der Talsperrenbrücke

Der Gedenkstein an der Talsperrenbrücke

Aber der Reihe nach: 1971 beschließt die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands° auf ihrem VIII. Parteitag im Rahmen des neuen Fünfjahrplans, die Pläne zum Talsperrenbau bei Zeulenroda voranzutreiben, um so die immer größer werdende Wasserknappheit im Bezirk Gera° zu lindern. Damit wird für die Landstraße Auma-Zeulenroda auch der Bau einer Brücke über den künftigen 240 ha großen Weida°-Stausee erforderlich. Das Projekt - eines der größten Brückenbauvorhaben der Zeit in der DDR° - zeichnet sich dadurch aus, dass zum ersten Mal im Arbeiter- und Bauernstaat eine Brücke im freien Vorbau errichtet wird. Mit der Planung des Vorhabens wird einer der besten Brückenkonstrukteure des Landes beauftragt: Dipl.-Ing. Gisbert Rother.

Der Bau beginnt Anfang 1973 und ist von Anfang an von späten Materiallieferungen und Zeitdruck geprägt. Rother weist zudem bereits früh auf Sicherheitsmängel hin. Da Stahl zwar nicht teuer, dafür aber sehr knapp ist, wird an allen Ecken und Enden gespart. Rothers Bedenken werden jedoch als kontraproduktiv zurückgewiesen.

Am 13. August 1973 passiert das, was vorhersehbar gewesen wäre, wenn die Ingenieure der DDR auf die Erfahrungen aus den Unglücken in Koblenz, Wien und Australien zurückgreifen hätten können. Während ein neues, besonders schweres Brückenteil montiert werden soll, bricht der vordere Teil des Bauwerks samt dem auf ihm stehenden Kran in die Tiefe. Vier Bauarbeiter kommen ums Leben, fünf werden schwer verletzt. Der Sachschaden beträgt 3,5 Millionen Mark der DDR°.

Statt den wahren Ursachen nachzugehen, vermutet die Staatssicherheit° sofort Sabotage, schließlich ist der 13. August der Jahrestag des Mauerbaus°. Das Gelände wird abgesperrt. Anwohner kommen nur noch mit Passagierschein in ihre Häuser. In den DDR-Medien wird das Unglück nur am Rande erwähnt.

Aus heutiger Sicht sind die Ursachen der Katastrophe klar. Während im Westen Deutschlands die Bauvorschriften nach ähnlichen Ereignissen geändert werden, wird im Sozialismus weiter am Stahl gespart. Da kein geeigneter Kran zur Verfügung steht, wird ein mit 80 t viel zu schwerer Kran auf der Brücke eingesetzt, so dass der Einsturz absehbar war.

Doch die Stasi kümmert sich nicht um die wahren Gründe. Konstrukteur Gisbert Rother und die Ingenieure Heinz Haser sowie Horst Adler werden inhaftiert. Man wirft ihnen Sabotage vor - eine Tat, auf die die Todesstrafe steht. Als am 21. Mai 1974 in Gera das Verfahren gegen die Angeklagten eröffnet wird, steht eine Verurteilung praktisch bereits fest. Sachliche Argumente werden nicht berücksichtigt. Wenige Tage später, am 27. Mai, werden alle drei zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Was Stasi und SED allerdings nicht einkalkuliert hatten, waren die Folgen des Urteils. Aus Angst, auch hinter Gittern zu landen, machen Bauleiter, Architekten und Ingenieure nur noch Dienst nach Vorschrift, planen mit stärkeren Materialausführungen und gehen jedem Risiko aus dem Weg.

Während der Bau der Brücke mit einem neuen auf dem Talboden stehenden Kran weitergeht, wird aufgrund des ökonomischen Drucks der Prozess im September 1974 vor dem Obersten Gericht der DDR° neu aufgerollt. In einer wesentlich faireren Verhandlung werden die Verurteilten freigesprochen und bereits vor dem Richterspruch aus der Haft entlassen.

Die Bauvorschriften werden später auch in der DDR den technischen Erfordernissen angepasst. Am 22. Juni 1975 wird schließlich die neue Brücke über den Stausee feierlich eingeweiht.

Die Talsperrenbrücke heute

Die Talsperrenbrücke heute

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